Neue Verbrauchertypen, Vertikalisierung des Marktes, wachsende Onlineumsätze und rückläufige Frequenzen im stationären Handel – dies alles verlangt nach neuen Wegen zum Kunden und innovativen Markenstrategien in der Möbelbranche. Wie können diese aussehen? Zu dieser Diskussion luden Dr. Wieselhuber & Partner, in Kooperation mit der „möbel kultur” sowie den Verbänden der Holz- und Möbelindustrie NRW erneut ins Hettich-Forum nach Kirchlengern ein. 80 Teilnehmer waren der Einladung gefolgt, auch um die Pausen für intensives Netzwerken zu nutzen.
Einleitend stellte Dr. Timo Renz, Managing Partner von W&P, die unterschiedlichen Phasen und deren Merkmale im Möbelhandel vor, und skizzierte die künftigen Herausforderngen. „Auch wenn die Welt ab morgen nicht ausschließlich online tickt – der Kunde wird zunehmend zwischen On- und Offline-Welten wechseln“, prognostiziert W&P-Vertriebsexperte Philipp P. Prechtl. „Diese Omni-Channel Konsumenten stellen heute 40 Prozent der Verbraucher dar und stehen für 60 Prozent der Gesamtausgaben im Bereich Möbel und Einrichten“, wie Referent Jan-Fredrik Stahlbock, Director bei GfK Shopper Activation Solutions, weiß. Ihre maßgeblich veränderten Bedürfnisse sollten nicht nur in der Vertriebsfunktion berücksichtigt, sondern müssen für alle Prozesse rund um den Kunden zu Ende gedacht werden.
Kein theoretischer Ansatz sondern operative Praxis, wie Dr. Herbert Müller, Vorsitzender des Vorstandes der Surteco SE, bestätigt. Er dreht sein Geschäftsmodell aktuell um 180 Grad: „Wir stellen nicht nur allgemein den Kunden in den Mittelpunkt, sondern differenzieren alle unsere Strukturen und Prozesse branchen- und sogar segmentspezifisch neu.“
Diesen Weg ist Michael Reuter, Geschäftsführer von Weber Stephen Deutschland, bereits erfolgreich gegangen. Durch eine starke Emotionalisierung der Marke und den Aufbau einer selektiven Vertriebsstruktur, hat sich das Unternehmen zum Marktführer aufgeschwungen: „Vor zehn Jahren galt in unserer Branche der Fachhändler als Vertriebspartner als „totes Pferd“ – heute sind die qualifizierten Fachhändler mit 50 Prozent die umsatzstärksten Partner.“ Ohne starke Marke wäre dies sicherlich nicht erfolgreich gewesen.
Auch Thomas Brüll, Leiter Marketing des Möbeleinkaufsverband Begros, sieht Potenzial in Sachen Marke: „Der gesamten Möbelindustrie würde eine Aufwertung durch starke, emotional aufgeladene Möbelmarken gut tun – derzeit fehlen einfach Orientierungsmarken“, stellt er fest. Rechtsanwalt Markus Nessler hierzu: „Die Möbelhersteller müssen die Hoheit über ihre Marken- und Vertriebssteuerung zurückgewinnen – sonst gehen sie vom Markt!“
Für heiße Diskussionen sorgte das Thema Eigenmarken, wobei Dr. Lucas Heumann, Geschäftsführer der Verbände der Holz- und Möbelindustrie NRW, prognostizierte, dass es die Begros-Marke „Mondo“ nicht zu einer echten Marke schaffen werde. Zu einer Marke gehöre Langlebigkiet. „Diesen langen Atem wird die Begros nicht haben.“ Ohnehin zweifelte Heumann das Instrument der Eigenmarken an, denn die zunehmende Digitalisierung werde die Vergleichbarkeit trotzdem möglich machen.
Als Key-Note-Speaker wusste Stephan Grünewald, Managing Partner des Rheingold Instituts, mit psychologischen Einblicken in den Konsumenten 4.0 zu begeistern.
Fazit der Werkstatt: Die Möbelbranche ist heute noch in der Lage, die Zukunft aktiv zu gestalten. Im Gegensatz zu anderen Märkten geht es hier noch nicht darum, „übrig Gebliebenes“ zu retten. Doch die Player sind in der Pflicht: „Wenn man sich selbst nicht Konkurrenz macht, indem man seine Produkte und Leistungen immer wieder auf den Prüfstand stellt, wird es der Wettbewerb machen – und Marktanteile mitnehmen“, resümiert Hausherr Dr. Andreas Hettich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hettich Holding.