Es kommt Bewegung in der Preispolitik von Verbundgruppen: Mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle hat erstmals ein deutsches Obergericht eine Preisbindung eines Herstellers gegenüber seinen Abnehmern aufgrund des Fehlens der „Spürbarkeit“ als kartellrechtlich zulässig bewertet (Urteil vom 7. April, Az. 13 U 124/15 Kart). Der Mittelstandsverbund begrüßt die mutige Entscheidung ausdrücklich. Das Oberlandesgericht gibt damit Anlass zu der Hoffnung auf eine Reform der Regelungen zur Preispolitik – wie dies vom Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes schon lange gefordert wird.
Die „Spürbarkeit“ ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Verbots wettbewerbswidriger Vereinbarungen. Bislang wurde – auch und gerade in der europäischen Rechtsprechung – im Falle einer sogenannten Kernbeschränkung, also z.B. einer Preisabsprache, einer Mengenabsprache, einer räumliche Marktaufteilung oder Quotenaufteilung vom Vorliegen der Spürbarkeit ausgegangen. Diese Anwendung ist auch in der De-minimis-Bekanntmachung der Europäischen Kommission als europäische Wettbewerbsbehörde festgelegt. In der Bekanntmachung legt die Kommission fest, wann Wettbewerbsbeschränkungen spürbar sind oder nicht. Grundsätzlich geht die Europäische Kommission davon aus, dass es an der Spürbarkeit fehlt, wenn die an einer Vereinbarung beteiligten Unternehmen keine Wettbewerber sind und einen Markanteil von nicht mehr als zehn Prozent (Wettbewerber 15 Prozent) aufweisen. Aber auch nach der Kommission ist im Falle einer Kernbeschränkung nicht mehr zu prüfen, ob die beteiligten Unternehmen die Marktanteilsschwellen überschreiten. Vielmehr ist dann grundsätzlich von der Spürbarkeit auszugehen.
Der Mittelstandsverbund – ZGV, der sich politisch seit langem für eine Liberalisierung der Preispolitik bzw. des wettbewerbsrechtlichen Rahmens für Verbundgruppen und Franchisesysteme einsetzt, begrüßt die weitsichtige Entscheidung des OLG Celle. „Erstmals hat ein deutsches Obergericht den Mut bewiesen, von dem seit 1972 geltenden per-se-Verbot für Preisbindungen im Vertikalverhältnis abzuweichen“, erklärt Geschäftsführer Dr. Marc Zgaga.
Dass dazu mitunter eine dringende Notwendigkeit besteht, weiß der Mittelstandsverbund nur zu gut, denn er macht sich seit vielen Jahren für eine Legalisierung von Preisbindungen in Verbundgruppen und Franchisesystemen stark. „Im Vergleich zu Filialsystemen und Internetanbietern sind Verbundgruppen und Franchisesysteme nämlich dadurch im Wettbewerb benachteiligt, dass sie nicht mit verbindlichen, einheitlichen Preisen am Markt auftreten können“, so der Rechtsexperte. Dieser Nachteil hat sich in den letzten Jahren durch den zunehmenden E-Commerce sowie durch die erhöhte Markttransparenz und Preissensibilität der Verbraucher noch weiter verstärkt. Das Urteil des OLG Celle gebe deshalb Grund zur Hoffnung.